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Jeseritz



Die in der Ebene östlich von Stolp gelegene Landgemeinde Jeseritz bestand aus dem Gut und der Kolonie Seddin mit ihrer bekannten Luftschiffhalle am Bahnhof Jeseritz. Zum Gut gehörten Weiden und Waldgebiete auf der einen Seite des Gutes und Ackerflächen auf der anderen. Von dem Gut führte ein einfacher Landweg über Neiderzin nach Stolp und eine ausgebaute Fahrstraße südwärts nach Reitz zur Lauenburger Chaussee.

Einige Angaben über die Gemeinde Jeseritz aus der Zeit vor 1945 in Kurzform:

Zugehörige Ortsteile: (1) Seddin, Kolonie

Gemeindefläche in ha 621
Wohnbevölkerung am 17.Mai 1939 343
Zahl der Haushaltungen 86
Zahl der Wohnhäuser 1925 32
Amtsbezirk Ritzow
Standesamtsbezirk Ritzow
Gendarmeriebezirk Ritzow
Amtsgerichtsbezirk Stolp
Gemeindevorsteher 1931 Gliewe
Bürgermeister 1937 Oberingenieur August Täsler
Bahnstation Jeseritz
Entfernung - (ab Stolp 8,9 km)
Bahnlinie Stettin - Groß Boschpol - Danzig (Reichsbahn)
Poststelle I Jeseritz
Letzte postalische Anschrift Jeseritz (Kreis Stolp)

Der historischen Dorfform nach ist Jeseritz ein großes Straßendorf. Als adliges Dorf kam es nach 1491 zusammen mit Granzin und Deutsch Buckow, alle östlich Stolps gelegen, durch Tausch mit den Belows gegen drei im Schlawer Gebiet gelegene Besitze (Kummerzin, Schlönwitz, Dubberzin) an die Puttkamer. Nur in der ersten Generation blieb der Komplex in einer Hand. Der erste Besitzer war Matthias von Puttkamer. Dann wurde Jeseritz und die dazugehörige Feldmark Seddin im jüngeren Stamm weitervererbt an Georg, der 1520 auf Jeseritz benannt und 1527 belehnt wird. Zu Beginn der Reformation setzte Herzog Barnim ihn bei dem in Stolp ausgebroche­nen Aufstand gegen den Rat der Stadt als Stadtrat ein. Die Hufen-Klassifikation von 1717 enthält die Eintragung:

Besitzer: . . . Cossäthen: 1. Jacob Below, 2. Jürgen Pröhm sen., 3. Jacob Bandke. 4. Ernst Treptow, 5. Marten Weller, 6. Jürgen Pröhm jun.




Das ganze 18. Jahrhundert hindurch blieb Jeseritz im angestammten Besitz. Nach Brüggemann hatte es um 1784 ein Vorwerk, sechs Kossäten und insgesamt neun Feuerstellen. Erst als in der Zeit des aufgeklärten Absolutismus „die Karriere im Staatsdienst gerade geistig interessierten Junkern reizvoller erschien als die in noch fast mittelalterlichen Formen steckende landwirtschaftliche Betätigung", gab das Puttkamersche Haus Granzin-Jeseritz allen Grund und Boden auf. 1801 wurden die Stammgüter Jeseritz und Deutsch Buckow an den Justizrat Schulte verkauft, zunächst wiederkäuflich auf 90 Jahre und nach der Allodifizierung endgültig. Später ging Jeseritz auf das Haus Wollin der Puttkamers über. Freiherr Gustav von Puttkamer auf Wollin kaufte es 1858 von Justizrat Schulte für 85000 Taler. Er überließ es 1873 seine m Sohn Georg zur Bewirtschaftung und verkaufte es ihm 1878, als er auch Wollin verkaufen mußte. Da Georg keine Söhne hatte, fiel das Gut 1891 seinem Bruder Albrecht zu. Nach dessen Tode 1924 war Jeseritz bis 1945 im Besitz von dessen Sohn namens Albrecht-Jescow. „Mit 19 Jahren durch den Tod des Vaters Besitzer von Jeseritz . . . geworden, widmete er sich ganz der theoretischen und praktischen landwirtschaftlichen Ausbildung und übernahm Jeseritz 1927 (E. v. Puttkamer)."

Im Jahre 1938 war das Rittergut 500 ha groß. Es hatte 350 ha Ackerland, 7,5 ha Wiesen, 30 ha Weiden, 80 ha Wald und 15 ha Unland, Hofraum und Wege. Der Viehbestand belief sich auf 48 Pferde, 125 Stück Rindvieh, 40 Schafe und 400 Schweine. Außer dem Gut gab es in Jeseritz 17 landwirtschaftliche Betriebe, die sich wie folgt zusammensetzten:

14 mit 0,5 und unter 5 ha
3 mit 10 und unter 20 ha

Der durchschnittliche Grundsteuerreinertrag auf ein Hektar lag mit 7,45 RM über dem Kreisdurchschnitt (5,95 RM).

Nach dem Reichsadreßbuch 1941/42 gab es in Jeseritz nur zwei Wirtschaftsbetriebe: die Flugzeugbau Aug. Stelling und den Gasthof mit Gemischtwarenhandlung Wilhelm Wianz.

Auf dem Gelände der Kolonie Seddin wurde während des Ersten Weltkrieges ein Hafen für Kriegsluftschiffe mit einem Kostenaufwand von zehn Millionen Mark 1915/16 erbaut. Er umfaßte eine große und eine kleine Luftschiffhalle, eine Flugzeug­halle, eine vollständige Wasserstoffgas-Erzeugungsanstalt, Funken-Telegraphie-Gebäude, Bombenkeller, Werkstätten, Lagerräume, unterirdische Benzinlager, Anschlußgleise, eine Wohnkolonie und was sonst dazu gehört. Zahlreiche Einsätze wurden von Seddin aus gegen die Russen an der Ostsee geflogen. In den Mittelpunkt des Weltgeschehens rückte Seddin, als von hier aus Nobile mit dem Luftschiff „Italia" in der Nacht zum 3. Mai 1928 seine unglückliche Fahrt zum Nordpol antrat. Das Luftschiff strandete bei Spitzbergen und ein Teil der Besatzung kam um.

Die Dorfbevölkerung war überwiegend evangelisch. Im Jahre 1925 hatte Jeseritz 14 Bewohner katholischer Konfession (3,9 v. H.). Es gehörte zur St.-Petri-Kirche in Stolp und damit zum Kirchenkreis Stolp-Altstadt. Die Volksschule in Jeseritz war 1932 zweistufig. Sie hatte einen Lehrer, zwei Klassen und 63 Schulkinder. Vor dem Ersten Weltkrieg hat in Jeseritz Lehrer Buchholz gewirkt und später Emil Ganz.

Jeseritz erlebte im Winter 1945 jeden Tag die Durchfahrt vollbesetzter Flüchtlingszüge. Am 19. Februar frühmorgens fuhr ein Lazarettzug auf einen haltenden Flücht­lingszug auf. Im letzten Wagen des Flüchlingszuges gab es zehn Tote und 14 Verletzte - alles Ostpreußen. Als die Russen sich im März dem Dorf näherten, war eine ordnungsgemäße Räumung des Ortes nicht mehr möglich. Viele Bewohner flohen in die nahen Wälder und blieben dort für einige Nächte. Der Gutstreck wurde in Rauschendorf im Kreise Lauenburg von den Russen überrollt und Albert Jesco von Puttkamer als Treckführer am 11. März dort erschossen. Das Dorf war voll von Flüchtlingen aus Ost- und Westpreußen. Am 8. März besetzten es sowjetische Panzer. Die Russen richteten im Dorf eine Kommandantur ein. Auf der Luftschiffwerft Seddin nahm die Rote Armee umfangreiche Demontagen vor. Ihnen fielen auch die unterirdischen Anlagen für die Treibstofflagerung zum Opfer. Dann setzten sich in den Häusern und Wohnungen Polen fest und vertrieben die Bewohner. Die Heimat­ortskartei Pommern hat später 168 von ihnen in der Bundesrepublik Deutschland und 71 in der DDR ermittelt. Aus Jeseritz wurde Jezierzyce.

Kriegs- und Vertreibungsverluste: 6 Gefallene, 11 Ziviltote und 44 Vermißte ("unge­klärte Fälle").

Literatur

E. von Puttkamer, Geschichte des Geschlechts von Puttkamer, S. 214-216, 660-661, 664, 667
E. von Puttkamer, Landbesitz, S. 17, 18, 35-36
Ost-Dok. 1 Nr. 173, pag. 229-231

(Quelle: "Der Landkreis Stolp in Pommern" Zeugnisse seiner deutschen Vergangenheit von Karl-Heinz Pagel)

(Quelle: BBF / DIPF / Archiv, Sammlungen der Gutachterstelle des BIL. Lehrerkartei und Personalbögen.)