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Birkow



An der westlichen Grenze des Stadtkreises Stolp war die Landgemeinde Birkow ein Bauerndorf. Im Süden bildeten die Symbower Fichten und im Norden das vermoorte Tal des Motzbaches die Gemeindegrenze. Während die von Rügenwalde kommende Chaussee nördlich des Dorfes vorbeiführte, verband ein etwa sechs Kilometer langer unbefestigter Landweg Birkow direkt mit der nahen Kreisstadt.

Einige Angaben über die Gemeinde Birkow aus der Zeit vor 1945 in Kurzform:

Zugehörige Ortsteile: (1) Birkow Ausbauten

Gemeindefläche in ha 1265
Wohnbevölkerung am 17.Mai 1939 781
Zahl der Haushaltungen 206
Zahl der Wohnhäuser 1925 131
Amtsbezirk Groß Brüskow
Standesamtsbezirk Groß Brüskow
Gendarmeriebezirk Klein Strellin
Amtsgerichtsbezirk Stolp
Gemeindevorsteher 1931 Rätzke
Bürgermeister 1937 Bauer Wilhelm Rätzke
Nächste Bahnstation Stolp
Entfernung 6,5 km
Bahnlinie Stettin - Groß Boschpol - Danzig (Reichsbahn)
Poststelle I Birkow
Letzte postalische Anschrift Birkow über Stolp (Pom.)

Der historischen Dorfform nach ist Birkow ein kleines Gassendorf. Die Bauern saßen meistens sechs- bis achthundert Jahre auf ihren Höfen, und Namen wie Albrecht, Rätzke, Granzow, Voß, Neitzel, Schulz und Schmidt waren vorherrschend. In preußiĀ­scher Zeit war Birkow eins von den achtzehn königlichen Dörfern, die dem Amt Stolp unterstanden. Die Prästationstabellen des Königl. Preuß. Amtes in Stolp von 1732 enthalten folgende Eintragung:

Schulze: Jürgen Neitzel; Bauern: 2. Hans Ratzcke. 3. Jochem Gatz, 4. Michel Krauß, 5. Jürgen Schwerdtfeger, 6. Peter Gatz, 7. Michel Ratzcke sen., 8. Jochem Ratzcke, 9. Peter Albrecht, 10. Mevs Albrecht, 11. Michel Ratzcke jun., 12. Daniel Ratzcke. Cossäthen: 1. Martin Holtz, 2. Jürgen Krauß. Grundgeld: (d.h.: Einwohner, Arbeitsmann, ohne eigenen Besitz, A. v. L.) Michel Albrecht.

Birkow hatte um 1784 ein Vorwerk, zwölf Bauern mit dem Dorfschulzen, zwei Kossäten, vier Büdner, ein Schulhaus, ein Hirtenhaus und insgesamt 21 Feuerstellen. Der Gutshof der Domäne lag an der Trift, der späteren Triftstraße. Die Domäne bewirtschaftete 2500 Morgen, ein Bauer in Birkow 233 Morgen und jeder der beiden Kossälen 102 Morgen. Um 1800 wurde die Königliche Domäne im Rentenverfahren aufgeteilt. Als eines der wenigen Dörfer des Stolper Landkreises hatte Birkow seit 1935 offizielle Straßenbezeichnungen. Wie die Höfe der Bauern aussahen, hat uns Johann Granzow getreulich überliefert:

"Die Bauernhöfe waren in Viereckform angelegt, bestehend aus Wohnhaus, Stallgebäude und Scheune. In älterer Zeit war das Gehöft nach der Straße zu durch das Torgebäude mit Toreingang abgeschlossen. Später bildete bei Um- und Neubauten das Wohnhaus die Straßenfront. Als Baumaterial benutzte man Holzfachwerk, das mit Lehm ausgefüllt wurde. Zur Bedachung wählte man als das billigste Material Stroh. In neuerer Zeit benutzte man zum Bauen nur noch Ziegelsteine, weil wetterbeständiger und feuersicherer, und als Dachbekleidung Dachziegel, seltener Schiefer und Zinkplatten. Am Gehöft selbst befand sich stets ein größerer Obst-, Blumen-und Gemüsegarten."

Im Jahre 1939 hatte Birkow 124 landwirtschaftliche Betriebe:

24 mit 0,5 bis unter 5 ha
53 mit 5 bis unter 10 ha
36 mit 10 bis unter 20 ha
11 mit 20 bis unter 100 ha

Im letzten Güteradreßbuch werden als Bauernhofbesitzer namentlich genannt:

Paul Albrecht 25 ha Gustav Rätzke 28 ha
Wilhelm Albrecht 25 ha Therese Rätzke 24 ha
Helmut Garbe 26 ha Wilhelm Rätzke 59 ha
Johann Granzow 64 ha Friedrich Varsbotter 26 ha

Den größten Viehbestand hatte der Bauer Johann Granzow: sechs Pferde und zwei Fohlen. 30 Stück Rindvieh und 30 Schweine. Der durchschnittliche Grundsteuerreinertrag auf ein Hektar lag mit 8.30 RM über dem Kreisdurchschnitt (5.95 RM).

Der größte Teil der Gemarkung bestand aus Ackerland mit überwiegend Weizenboden. Daneben hatte Birkow große Wiesen-. Moor- und Waldflächen. Neben Weizen wurden Roggen, Hafer, Gerste und Kartoffeln angebaut. Die Wiesen bildeten die Grundlage für eine hochentwickelte Viehhaltung. Es gab vier Genossenschaften. Dies waren die Motzbach-, die Wasser-, die Raiffeisen- und die Molkerei-Genossenschaft. Die Motzbach-Genossenschaft hatte die Aufgabe, den Grenzbach zwischen den Wiesen von Birkow, Groß Brüskow, Grünhagen und Klein Brüskow zu regulieren. Die Wassergenossenschaft Groß Brüskow - Birkow - Strellin wurde 1922 gegründet, um den nach Osten durch das Brüskow-Birkower Moor über Groß Strellin in die Stolpe fließenden Kanal instand zu halten. Der Torf konnte nun bis auf den Grund ausgebeutet werden, und es war möglich, die leeren Moorflächen als Wiesen und Weiden in Kultur zu nehmen.


Handel und Handwerk waren in Birkow für ländliche Verhaltnisse gut entwickelt. Im Reichs-Adreßbuch 1941/42 werden genannt: die Ländliche Spar- und Darlehnskasse EGmbH, die Birkower Genossenschaftsmolkerei EGmbH, der Betrieb Elektrische Installationen Ewald Meyer, die Fischhandlung Paul Granzow, die Fleischer Gg. Wegner und Mart. Wegner, den Gasthof Friedrich Manske, die Gemischtwarenhandlungen Paul Granzow, A. Koschnick, Friedrich Manske und Paul Teschke, den Maurermeister K. Vigelahn, die Mühlen Bunz und Voss, die Schmieden Fritsch und Kotz, die Schneider Falk, Wodtke und R. Zühlke, die Schuhmacher Duske, Jach und Rätzke, der Stellmacher W. Schmökel, die Tischler Andre und Rätzke, die Viehhandlung F. Runow und der Zimmermeister K. Albrecht.

Birkow war evangelisch. Im Jahre 1925 hatte es einen Bewohner katholischer Konfession (0,1 v.H.). Die Gemeinde gehörte zum Kirchspiel Symbow im Kreis Schlawe und damit zum Kirchenkreis Stolp-Stadt. 1895 wurde die Kirchengemeinde Birkow errichtet, die mit Symbow verbunden blieb. Eine eigene Kirche hatte die Gemeinde zunächst nicht. Das bedeutete, daß die Kirchganger sonntäglich sieben Kilometer bis zur Kirche nach Symbow gehen mußten. Im Jahre 1906 beschloß die Kirchenratssitzung mit Zustimmung der Kirchenpatrone von Zitzewitz und von Below, eine neue Kirche zu bauen. Sie wurde 1911 unter Anteilnahme der ganzen Gemeinde durch Generalsuperintendent Dr. Büchsel, Stettin, feierlich geweiht und übergeben. Seitdem erhebt sie sich auf dem zugeschütteten Schulteich vor der Schule. Als Seelsorger haben in der Kirche die Pastoren Rathke, Witte, Hedemann und Klopsch, als Vertreter im Zweiten Weltkrieg Spittel aus Stolp und Runkel aus Groß Brüskow gewirkt.

Die Schule in Birkow lag mitten in der Ortschaft. Es war ein stattlicher Massivbau mit Glockenturm aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Durch Um- und Erweiterungsbauten erhielt die Schule ihre spätere Gestalt. Das Schulgebäude hatte zwei großräumige Klassenzimmer und zwei Lehrerwohnungen. Im Jahre 1932 war die Schule vierstufig und hatte vier Klassen, drei Lehrer und 133 Schüler. Ab 1850 amtierten als Hauptlehrer in Birkow Neubüser, Zillmer, Papke, Kath und Walter Lietz, als Lehrerin Frau Moldenhauer (1931) und als Lehrer Otto Krause und Fritz Müller. Außerhalb der pagelschen Ortsbeschreibung waren in Birkow vermutlich auch der Lehrer Wilhelm Selke und die Lehrerin Henny Specht tätig. Seine zweite Lehrerprüfung hat Gerhard Treptow am 10.09.1920 in Birkow abgelegt.

Als am 6. März der Kanonendonner schon deutlich zu hören war, gab Ortsgruppenleiter Lietz den Befehl, im Treck nach Danzig zu flüchten. Die Gemeinde sollte am nächsten Morgen um 6 Uhr marschbereit sein. Sie brach jedoch erst gegen Mittag, eine halbe Stunde vor 12 Uhr, auf. Die Straße nach Stolp war vereist und glatt und voller Trecks. Es gab kaum ein Weiterkommen. Bis zum Einbruch der Dunkelheit hatte die Wagenkolonne nur drei Kilometer zurückgelegt. Da russische Artillerie bereits von Veddin und Kublitz her auf die Chaussee nach Schlawe schoß, kehrte der Treck wieder um. Nur vereinzelt sahen Birkower auf dem Heimweg deutsche Soldaten. Zu Hause fanden sie ihre Häuser belegt mit Flüchtlingen aus dem Kreis Schlawe, vor allem aus Reblin, Dubberzin, Klein Runow, Schlönwitz und Zitzewitz, Kreis Stolp. Etwa 2500 Flüchtlinge befanden sich im Dorf. Am 8. März gegen 6 Uhr morgens drangen die Russen mit zwei Kompanien Infanterie aus Richtung Reddentiner Forst und Groß Brüskow kampflos in Birkow ein. Acht Männer wurden von ihnen erschossen, Bürgermeister Rätzke, obwohl ein kranker Mann, viel geschlagen und gequält. Als Birkow am Sonntag, dem 10. März, russische Artillerie zur Einquartierung bekam, spielten sich unbeschreibliche Szenen ab. Für die Mädchen und Frauen war es die Hölle auf Erden. Am 30. März kamen die Bewohner von Arnshagen, Flinkow, Klein Strellin, Groß Brüskow, Überlauf und Friedrichsthal und baten um Unterkunft. Sie hatten ihre Dörfer auf Anordnung der Russen verlassen müssen. Birkow unterstand zunächst der russischen Kommandantur in Kublitz und etwa ab Mai einer neu eingerichteten Kommandantur in Groß Brüskow. Die Bewohner durften nun wieder Getreide anbauen und Kartoffeln anpflanzen. Sie kamen allerdings erst Anfang Juni unter die Erde. Auch Gottesdienst wurde wieder gehalten. In Birkow predigte Pastor Niehoff aus Symbow jeden Sonntag in der überfüllten Kirche. Im Juli 1945 brach in Birkow eine Typhusepidemie aus, an der viele Einwohner starben. Im Gegensatz zu den Nachbargemeinden hatten die Birkower das Glück, daß sie ihre Ernte zunächst selbst behalten konnten.


Als die russische Kommandantur nach Groß Massowitz im Kreise Lauenburg abzog, richteten die inzwischen in den Kreis Stolp eingedrungenen Polen in Groß Brüskow eine polnische Kommandantur ein. Damit begann für Birkow und Umgebung ein neues Schreckensregiment. Es kamen jeden Tag neue Polen an, setzten sich auf den Höfen fest und betrachteten alles als ihr Eigentum. Die Deutschen mußten "unter Schlägen" für sie arbeiten, und es gab kaum noch etwas zu essen. "In jedem Hause, wo sich ein Pole festsetzte, wurde eine rot-weiße Fahne als Kennzeichen, daß das Haus nicht mehr von anderen Polen besetzt werden konnte, aus dem Fenster gesteckt." Ende August 1945 starb der Bürgermeister Wilhelm Rätzke. Hin Meer von Blumen und Kränzen wurde ihm als Dank nachgetragen. Die Polen nahmen auch die Kirche in Besitz. Das Kriegerdenkmal wurde des Adlers beraubt und später ganz umgelegt. Am 8. November 1945 holten die Polen 300 und am 11. November 1000 Bewohner aus ihren Wohnungen und brachten sie, nur notdürftig bekleidet, gewaltsam zum Bahnhof Stolp. Von dort wurden sie über die Oder deportiert. Im Frühjahr 1946 erschoß ein Pole den 20jährigen Wilfried Vigelahn ohne besonderen Grund. Pastor Niehoff, der am Sonntag nach der Tat in der Kirche von Symbow verkündete, daß Vigelahn durch ruchlose Mörderhand umgekommen sei, wurde acht Wochen eingesperrt und mißhandelt. Der nächste Transport, mit dem auch Pastor Niehoff deportiert wurde, ging am 16. August 1946. Ein weiterer folgte im November 1947. Es wurde somit auch der letzte Dorfbewohner vertrieben. Die Heimatortskartei Pommern ermittelte später 316 von ihnen in der Bundesrepublik Deutschland und 335 in der DDR. Aus Birkow wurde Bierkowo.

Kriegs- und Vertreibungsverluste: 56 Gefallene, 43 Ziviltote und 47 Vermißte ("ungeklärte Falle").

Literatur

Birkow. Die Dorfgeschichte in Stichworten. In: Die Pommersche Zeitung vom 10. Dezember 1966. S. 5
Granzow, Johann: Ortschronik von Birkow. In: Stolper Heimatblatt 1955, S. 8-13
Granzow, Johann: Vereine und Sportplatz in Birkow. In: Stolper Heimatblatt 1955, S. 114-116
Granzow, Johann: Schwarze Hochzeit. Torfgewinnung im Birkower Moor. In: Stolper Heimatblatt 1956. S. 137-139
Granzow, Johann: Kirchbau in Birkow. In: Stolper Heimatblatt 1956, S. 304-306
Granzow. Johann: Die Genossenschaften in Birkow. In: Stolper Heimatblatt 1957, S. 3-4
Granzow, Johann: Das Sterben von Birkow. Chronik eines ostpommerschen Dorfes unter der Russen- und Polenherrschaft 1945/46. In: Stolper Heimatblatt 1964, S. 78-88, 112-120, 141-149
Ost-Dok. 1 Nr. 172, pag. 71-74

(Quelle: "Der Landkreis Stolp in Pommern" Zeugnisse seiner deutschen Vergangenheit von Karl-Heinz Pagel)

(Quelle: BBF / DIPF / Archiv, Sammlungen der Gutachterstelle des BIL. Lehrerkartei und Personalbögen.)