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Ritzow



Die Landgemeinde Ritzow gehörte früher der Stadt Stolp und war zuletzt ein Bauerndorf. Sie liegt am nordöstlichen Stadtrand an dem dort abfallenden Hang zum Urstromtal der Stolpe. Im Westen dehnten sich Wiesen und Moore aus und östlich des Dorfes und der Chaussee Ackerflächen bis hin zum Waldkater und über die Langen Berge hinaus. Die Nähe der Stadt Stolp gab dem Ort in mancher Hinsicht das Gepräge. Städtische Ruheständler und Pensionäre ließen sich hier nieder. Von Stolp aus kam man auf der Kassuber Straße nach Ritzow und bei der Sandgrube zweigte der Weg ins Dorf ab. Die Chaussee ging weiter in den Nordosten des Landkreises.

Einige Angaben über die Gemeinde Ritzow aus der Zeil vor 1945 in Kurzform:

Zugehörige Ortsteile: (2) Chausseehaus (= Grenzhof) - Ketelhut, Ausbau

Gemeindefläche in ha 533
Wohnbevölkerung am 17.Mai 1939 1005
Zahl der Haushaltungen 269
Zahl der Wohnhäuser 1925 70
Amtsbezirk Ritzow
Standesamtsbezirk Ritzow
Gendarmeriebezirk Ritzow
Amtsgerichtsbezirk Stolp
Gemeindevorsteher 1931 Zaddach
Bürgermeister 1937 Bauer und Mühlenbesitzer Franz Zaddach
Nächste Bahnstation Stolp
Entfernung 2,5 km
Bahnlinie Stettin - Groß Boschpol - Danzig (Reichsbahn)
Poststelle II Ritzow
Letzte postalische Anschrift Ritzow über Stolp (Pom.)

Ritzow ist das drittälteste urkundlich bekannte Dorf des Landkreises. Im Jahre 1240 verkaufte Herzog Swantopolk von Pommerellen seinem Kaplan Hermann das Dorf für zwei Pferde (und) frei von allen Lasten. Da nicht anzunehmen ist, daß dies der volle Kaufpreis war, dokumentiert die Urkunde wohl nur den bereits bestehenden Besitz. Dann ging Ritzow auf das Prämonstratenser-Nonnenkloster in Stolp über, dem Herzog Mestin II. 1288 den Besitz bestätigte. In preußischer Zeit gehörte Ritzow zu den achtzehn königlichen Dörfern des Stolper Kreises, die dem Amt Stolp unterstan­den. Die Prästationstabellen dieses Amtes von 1732 enthalten die Eintragung:

Schulze: Henning Reck. Bauern: Jochem Reck, 3. Martin Willer, 4. Christian Rahn sen., 5. Matthes Rahn, 6. Jürgen Willer, 7. Hanß Rahn, 8. Martin Rahn, 9. Christian Rahn jun., 10. Martin Rahn. Cossäth: Martin Rahn.

Wann das Dorf an die Stadt Stolp gefallen ist, wissen wir nicht. Um 1784 hatte es nach Brüggemann zehn Bauern mit dem Freischulzen, einen Kossäten, einen Schulmeister und insgesamt vierzehn Feuerstellen. Alteingesessene Bauern waren bis zuletzt vorherrschend. Im Jahre 1939 gab es in Ritzow 39 bäuerliche Betriebe:

16 mit 0,5 bis unter 5 ha
2 mit 5 bis unter 10 ha
11 mit 10 bis unter 20 ha
10 mit 20 bis unter 100 ha

Im letzten Güteradreßbuch sind als Bauernhofbesitzer aufgeführt:

Paul Domke 23 ha Johannes Rahn 26 ha
Ernst Manske 23 ha Wilhelm Rahn I 24 ha
Friedrich Manske 39 ha Wilhelm Rahn II 24 ha
Fritz Manske 28 ha Wilhelm Rahn III 21 ha

Ihr Viehbestand belief sich auf jeweils zwei bis fünf Pferde, bis zu 21 Stück Rindvieh, bis zu sieben Schafe und 14 bis 25 Schweine. Der durchschnittliche Grundsteuerrein­ertrag auf ein Hektar lag mit 10,96 RM fast doppelt so hoch wie im Kreisdurchschnitt.

Handel und Handwerk befanden sich in erfreulicher Aufwärtsentwicklung. Es sind hier zu nennen: die Kalksandsteinfabrik Carl Westphal (Zentrale in Stolp), die Länd­liche Spar- und Darlehnskasse Ritzow EGmbH, der Architekt Hans Marschke, das Baugeschäft F. Gellert, Chemische und Technische Produkte E. Dobberstein, der Bäcker Willy Kaminsky, das Dachdeckungsgeschäft R. Harder, die Fleischer W. Adler, F. Köplin, E. Körber und Karl Willer, die Gasthöfe Gesellschaftshaus (Adolf Schmidt) und Viktoriagarten (Otto Friedrich), beides beliebte Ausflugslokale der Stolper am Wochenende, die Gemischtwarenhandlungen Margarete Druck und Max Pokriefke, die Mühle Franz Zaddach, die Schmiede Karl Ratzke, der Schneider E. Hoppe und der Stellmacher R. Mahn. Ritzow galt als wohlhabende Gemeinde.

Ritzow war evangelisch. Im Jahre 1925 hatte es acht Bewohner katholischer Konfes­sion (1,1 v.H.). Es gehörte zu der St.-Petri-Kirche zu Stolp und damit zum Kirchenkreis Stolp-Altstadt. In der im Jahre 1932 dreistufigen Volksschule unterrichteten zwei Lehrer in drei Klassen 117 Schulkinder. Lehrer waren Heinrich Böhme, Zander und Ruth Fabritz.

In der letzten Zeit wurde der Ort sehr ausgebaut. Neue Villen entstanden, die pensionierten Beamten als Ruhesitz dienten. Aber auch Stolper Geschäftsleute bebauten Grundstücke, und mancher Arbeiter siedelte sich an. So war Ritzow fast bis an die Stadtgrenze von Stolp herangewachsen. Doch das Dorf wehrte sich dagegen, zum Trabanten der Stadt oder zum Vorort zu werden. Günter Friedrich erinnert sich: "Daß wir Ritzower uns nicht von der Stadt aufsaugen ließen, hatte sicherlich seinen ersten Grund darin, daß in unserem Dorfe der Einfluß der Bauern nicht zu schmälern war, auch nicht dann, als die Einwohnerzahl des Ortes das Tausend überschritten hatte und die Bauern, die auf siebzehn Gehöften saßen, längst nur noch eine Minderheit ausmachten. Wie eh und je bestimmten diese Bauern über die Verhält­nisse im Dorf und über seine Entwicklung aus ihrem eigenen bäuerlichen Kommunalbewußtsein, und derjenige, der als zunächst Fremder seinen Wohnsitz in Ritzow nahm, fand den Platz, den er in der Dorfgemeinschaft einzunehmen hatte, jeweils als von seinem Verhältnis zu den Bauern bestimmt" (G. Friedrich).

In der Nacht zum 7. März 1945 gab der Ortsbauernführer in Ritzow bekannt, daß die Bevölkerung den Ort in Richtung Danzig verlassen sollte. Doch nur ein kleiner Teil der Bewohner, etwa 150 an der Zahl, machten sich im Treck auf die Flucht. Es ging über Schmaatz, Lübzow, Freist, Beckel, Schwerinshöhe nach Vietkow und Virchenzin. Dort wurde der Treck von den Russen überrollt. Die Geflohenen kehrten nach Hause zurück. "Auf der Rückfahrt wurden die Fuhrwerke vollkommen ausgeplün­dert, zum Teil auch die Pferde fortgenommen und die Frauen geschändet." Ritzow wurde gegen Mittag des 8. März von den Russen besetzt. Im Ort waren viele Flüchtlinge, aber auch "Bombenevakuierte" aus Duisburg, Wanne-Eickel und Bremen (30 Personen) zurückgeblieben. Schon im April kamen die ersten Polen nach Ritzow und drangen gewaltsam in die Häuser und Wohnungen ein. Die Vertreibung der Dorfbewohner begann. Eine solche Vertreibungsaktion erfolgte u. a. im November 1946. Die Heimatortskartei Pommern hat später 530 vertriebene Dorfbewohner in der Bundesrepublik Deutschland und 133 in der DDR ermittelt. Die Polen, die Ritzow als Kriegsbeute in Besitz genommen haben, nannten es Ryczewo und gemeindeten es in die Stadt Stolp ein.

Kriegs- und Vertreibungsverluste: 25 Gefallene, 20 Ziviltote und 126 Vermißte ("ungeklärte Fälle").

Literatur

PII. UB Nr. 70 = PUB I Nr. 376
PII. UB Nr. 437 = PUB III Nr. 1470
Dreyfeldt, Alfred: Der Ritzower Wallberg. In: Ostpommersche Heimat 1934, Nr. 25
Friedrich, Günter: Bauern vor den Toren der Stadt. In: Stolper Heimatblatt 1956, S. 275-277
Ritzow. In: Stolper Heimatblatt 1960, S. 146
Ost-Dok. 1 Nr. 174, pag. 479-481

(Quelle: "Der Landkreis Stolp in Pommern" Zeugnisse seiner deutschen Vergangenheit von Karl-Heinz Pagel)

(Quelle: BBF / DIPF / Archiv, Sammlungen der Gutachterstelle des BIL. Lehrerkartei und Personalbögen.)